2022JAHRESBERICHTSÄCHSISCHERLANDTAG_7.LEGISLATURPERIODE
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JAHRESBERICHT2022Der Sächsische Ausländerbeauftragte3
Foto: Steen GierschVorspann4JAHRESBERICHT 2022nach oben fallendas hatten wir unsim Jahresbericht 2021zur Bewältigung der Krisenzustände vorgenommen. Gemeintwar damit, optimistisch zu sein und nach vorn zu denken:scheinbar komplexe Herausforderungen aufzubrechen, Miss-stände konkret zu machen und sie dadurch strategisch zulösen. Diese Devise war 2022 angesichts des russischen An-griskriegs in derUkraine, der leiderbis heute anhält,nötigerdenn je. Die unmittelbar ausgelöste Fluchtbewegung aus derUkraine hat im Februar auchjede und jeden von unsinSachsenbetroen. Wir mussten uns kurzfristigentscheiden,was wir in dieser Situation für die ankommenden Men-schen tun wollten. Ich möchte andieser Stelle allen Engagier-ten danken, die ukrainische Schutzsuchende auf die ein oderandere Weise unterstützt haben. Ohne Ihr Mittun wäre esin einer Lage, in der diesächsischen Behörden vor unvorher-gesehene strukturelle Herausforderungen gestellt waren,schlicht nicht gegangen.LIEBELESERINNEN,LIEBELESERVorspann
5offenes-sachsen.deDieser Jahresbericht legt den Fokus auf das Verhalten derBehörden: WelcheAntworten konntensie aufdie drängendenHerausforderungen des letztenJahres geben –wie Wohnraumzu gewährleisten, ausreichende Sprach- und Integrations-kurse bereitzustellen, ukrainische Kinder zu unterrichtenund die Eltern in den Arbeitsmarkt zu integrieren? Wie istdie langfristige Planung der Behörden? Und wie wurde dieVeränderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen imAuf-enthaltsrecht vorbereitet? Über dieArbeitsweise der Auslän-derbehörde Plauenund wasden Erfolgihrer Arbeitausmacht,lesen Sie aufSeite 16 und 17.Das vergangene Jahr hat auch meine Arbeit verändert: DieAmtsführung geht zunehmend über das Mandat des Säch-sischen Ausländerbeauragten hinaus.Es bewegt sichlautGesetz in einem Handlungsfeld,das die Belange derim Frei-staat lebenden Ausländerinnen undAusländer in den Blicknimmt. Die Einzelfälle, diemich regelmäßig erreichen, habenim vergangenen Jahr verstärkt Fragen oengelegt,die inWechselwirkung zu anderen Politikfeldern stehen.Betrach-ten wir allein das Thema »Arbeitsplatz«: Füreine erfolgreicheArbeitsmarktintegration sind neben den aufenthaltsrecht-lichen Voraussetzungen eineexible Verwaltung, verzahnteAnerkennungs- und Beratungsstrukturen,ein diversitätssen-sibles Betriebsklima, erreichbareSprachkurse, verfügbarerWohnraum etc. notwendig. Zu diesemtechnischen Bereichkommt die gesellschaliche Integration hinzu. In dem An-spruch, die Voraussetzungen für eine gelingende Integrationam Arbeitsplatz zu schaen, besteht für den SächsischenAusländerbeauragten somit einFächer von Handlungsnot-wendigkeiten, die mitden zuständigen Akteurenabzustim-mensind.Sie werden deshalb in diesem Jahresbericht auch Themennden,dieübermeinMandathinausgehen:Wennesbeispiels-weise darum geht,interkulturelleWissenschasprojektein den Lehrplänenauf Sachebene zu verankern; dieErfahrungen von Menschen mit Einwanderungsgeschichte inSachsenöentlichkeitswirksam zu thematisieren;ausländische Unternehmenin Sachsenund dieFachkräezuwan-derung zu stärken. Einige dieser Projekte sind auf Ideen vonIhnen, unseren Partnerinnenund Partnern inder Integrati-onsarbeit, zurückzuführen. Ich freue michweiterhin auf IhreAnregungen, zum Bericht und zu unserer Arbeitim Allgemei-nen, und darauf,mit Ihnen gemeinsamweiter nach vornzudenken.Ihr Geert Mackenroth MdL
100020003000237727703203Belegung6JAHRESBERICHT 202232BERATUNG UNDBETEILIGUNGDES SÄCHSISCHENAUSLÄNDERBEAUFTRAGTEN34THEMENDES JAHRES38AMT UNDVERNETZUNG40INFORMIEREN,ARGUMENTIERENUND PUBLIZIEREN –ONLINE UNDOFFLINE48RECHTLICHER RAHMENR DIE AUFNAHME UKRAINISCHERGEFLÜCHTETER14THEMENDER KLEINEN ANFRAGEN16DIE AUSLÄNDERBEHÖRDEIMVOGTLANDKREIS18ALS AUSLÄNDERBEHÖRDEINLEIPZIGBEGLEITEN UNDENTSCHEIDEN20SCHUTZSUCHENDE,QUALIFIKATIONUND BILDUNGSZUGANG IN SÄCHSI-SCHENAUFNAHMEEINRICHTUNGEN28UNBEGLEITETE MINDERJÄHRIGEAUSLÄNDER(UMA)INHALTVorspann4VORWORT8WAS KENNZEICHNET2022?10AUSLÄNDISCHE PERSONENINSACHSEN12ZUWANDERUNG UNDMIGRATIONIM SÄCHSISCHENLANDTAG
7offenes-sachsen.de50DIE ARBEIT DER SÄCHSISCHENRTEFALLKOMMISSION56BEISPIELE AUS DERENTSCHEIDUNGSPRAXIS58AUSBLICK60GLOSSAR66STATISTIK KURZ UNDKNAPP70IMPRESSUM72KONTAKTESTATISTIKEN2022JAHRESBERICHTSÄCHSISCHERLANDTAG_7.LEGISLATURPERIODEJetzt scannenund zumStatistikteil 2022kommen!
8JAHRESBERICHT 2022EU-Massenzustrom-Richtlinie, die inDeutschland in § 24des Aufenthaltsgesetzesumgesetzt wurde,umgehend gesicherten Aufent-haltsstatus. Aufgrund der großenMenge an Menschen konnte dieregulative Verwaltung in den erstenMonaten jedochnicht strukturierthandeln. Denn wenngleich dasPrüfverfahren dadurch handlicherwurde, verkürzten sich auch dieÜbergangs- und Entscheidungszeiten,die zu einer geordneten Aufnahmegehören. Die Ausländerbehördenkämpen bereits vorher mit Personal-mangel, Gesetzesänderungen undden Auswirkungen der Pandemie.kleinere regionale Einheiten ge-staltete sich mühsam. Ukrainerinnenund Ukrainern stand die behördlicheRegistrierung zwar frei, diese bildetfür die Inanspruchnahme vonLeistungen der medizinischen Ver-sorgung und der Beherbergung, vonSprachkursen und zur Beschulungder Kinder jedoch die grundlegendeBasis. Die Registrierung und dieLeistungsbereitstellung gestaltetesich für Geüchtete, Vermieterund Unterstützer schleppend.Die Entscheidung des EuropäischenParlamentes, mit einer Sonder-regelung das Asylverfahren zu um-gehen, erwies sich – wenn auchformal vereinfachend – als prak-tisch schwierig. Ukrainerinnenund Ukrainer erhielten durch dieAnwendung der sogenanntenBeherrschendes Thema:Krieg in EuropaMit dem Beginn des Krieges am24. Februar venderte sich die inner-europäische Lage massiv. RussischeTruppen grien die Ukraine an,eine beispiellose Fluchtbewegunginnerhalb Europas begann. DieZahl der Schutzsuchenden aus derUkraine, die in die BundesrepublikDeutschland und omals zuerstnach Sachsen kamen, stieg rasant.Überwiegend mussten Frauen,Familien mit Kindern und älterePersonen versorgt werden.Zusatzaufgabe fürSachsens Behördenund die GesellschaNur die große HilfsbereitschaderBevölkerung ermöglichte es, dieseSituation zu bewältigen. Zu großenAnteilen wurden die Kriegsüchtlingeprivat oder privatwirtschalich auf-genommen. Es bildeten sich sofortunzählige Gruppen und Initiativen, dieUnterküne, Sprach- und Beratungs-angebote, medizinische und psycho-logische Hilfe, soziale Betreuungund die allgemeine Versorgung derAnkommenden zivilgesellschalichorganisierten.Der Druck auf die Kommunen wuchsimmens: Die fehlende Verortungführte zu einem Überlaufen derBallungszentren, die Verteilungauf andere Bundesländer undRegistrierung in der Aufnahmeeinrichtung Dresden | Fotos: MarkusGulerWAS KENNZEICHNET 2022?Ukrainische Schutzsuchende in DeutschlandWas war 2022?
9offenes-sachsen.deInterkulturalität lebenDer Einsatz für zugkräige Bedingun-gen, damit Fachkräe kommen undbleiben wollen, stellte sich 2022 alsKernaufgabe heraus. Ausschlaggebendist dabei, welche Antworten derFreistaat Sachsen auf die r einwan-dernde Menschen wichtigen Fragenndet: Wie komplex sind die Aner-kennungsverfahren ihrer beruichenQualikation? Wie werden sie im All-tag integriert? Auf welches gesell-schaliche Klima treen sie? Die Dis-kussionsreihe »Die interkulturelleGesellscha– Perspektiven undChancen für Sachsen« des Säch-sischen Ausländerbeauragten inKooperation mit der SächsischenLandeszentrale für politische Bildungbeschäigt sich deshalb seit Ende2022 mit den verschiedenen Facettenvon Integration, vom Arbeitsmarktüber Verwaltung bis zuReligion.44Website des SächsischenAusländerbeauragten, Link:sab.landtag.sachsen.de/de/Vortragsreihe-Interkulturell.cshtmlwanderte Fachkräe auf allen Ebenenvor einem Kollaps stünde.2Die Zahlensind auch in Sachsen alarmierend:Insgesamt 60 Prozent der Unterneh-men wiesen vakante Stellen aus.Hochgerechnet auf alle sächsischensozialversicherungspichtig Beschäf-tigten entsprach diese Relation rund100000 freien Stellen im Freistaat.Auch wenn bereits mehr als jedesdritte Unternehmen ausländischesPersonal beschäigte, so war dasseit zwei Jahren geltende Fachkräe-einwanderungsgesetz (FEG) nureiner Minderheit der Unternehmenbekannt. Neben dem bürokratischenAufwand stellten für viele Unter-nehmen vor allem die Sprachbarrierensowie die Rekrutierungskostendie entscheidenden rden dar.32SVR Jahresgutachten 2022, Link: www.svr-migration.de/wp-content/uploads/2022/05/SVR_Jahresgutachten_2022.pdf3Sächsisches Fachkräemonitoring 2022,Link: www.ihk.de/chemnitz/standortpolitik/konjunktur/analysen/fachkraee-3181632GleichbehandlunggewährleistenViele Ukrainer hoen, sie würdennur für kurze Zeit bleiben müssen.Die Honung erfüllte sich nicht. ImJuni 2022 erfolgte in der Bundes-republik der Wechsel der ukrainischenVertriebenen in den Rechtskreis desSGB II. Diese Maßnahme sollte auchdie Ausländerbehörden entlasten.Überdies warnten Verbände, Kirchen,Organisationen und Einrichtungender Flüchtlingsarbeit vor einerUngleichbehandlung verschiedenerGruppen von Geüchteten undkritisierten, die Bevorzugung der»einen« vor den »anderen«.Die »einen«, das sind ukrainischeStaatsangehörige; die »anderen«,das sind Menschen aus anderenRegionen der Welt, die Schutz vorKrieg und Gewalt suchen, und es sindbeispielsweise auch aus der UkraineGeüchtete ohne ukrainischeStaats-angehörigkeit.Fachkräeeinwanderungs-gesetz nutzenDer Krieg in der Ukraine hat Dieren-zen weit aufgebrochen. Und er hatbewusst gemacht, wie stark die inter-nationale Staatengemeinschamiteinander verwoben ist. Kurz nachKriegsbeginn stieg die Inationrasant an, im Oktober überschritt siein Sachsen die Zehn-Prozent-Marke.Doch die damit verbundenenLebensmittelteuerungen und steigen-den Heiz- und Stromkosten bliebennicht die einzigenSorge-Themen:Der Fachkräemangelerreichte 2022 inDeutschland einen neuen Höchst-stand.1Der Sachverständigenrat fürIntegration und Migration mahntebesonders im Hinblick auf das Gesund-heitswesen, dass dieses ohne einge-1ifo Institut, Link:www.ifo.de/pressemitteilung/2022-08-02/fachkraeemangel-steigt-auf-allzeithochInterkulturalität in der Arbeitswelt
10JAHRESBERICHT 2022noch 1061 betragen. Im öentlichenDienst lag der Anteil von Ausländerin-nen und Ausländern zum Stichtag30. Juni 2022 in Sachsen mit 523 aus-ndischen Beschäigten bei 0,53 Pro-zent.1Der Freistaat Sachsen hat im letztenJahr einen Anstieg eingegangenerAsylerstanträge registriert. Syrien istzahlenmäßig bundesweit (70976)und sachsenweit (4253 Erstanträge)an erster Stelle. In Sachsen stehtVenezuela an zweiter Stelle (1672 Erst-anträge), Afghanistan an dritterStelle (1204 EA) und Türkei auf Platz4(1074 EA). Bundesweit an zweiterStelle: Afghanistan mit 36358 EA,und dritter: die Türkei (23938 EA).Über 10470 Asylerstanträge wurdeim letzten Jahr entschieden, wobeidiese nicht aus dem Jahr 2022 stam-men müssen.Besonders ausschlaggebend war imJahr 2022 die Zuwanderung durchMenschen aus der Ukraine. Über dieGrenze des Bundesgebietes kamen54276 Nichtdeutsche aus der Ukrainenach Sachsen. Davon wurden unge-fähr 17000 Menschen in sächsischenAufnahmeeinrichtungen aufgenom-men. Von diesen rund 17000 Men-schen wurden circa 10000 weiterver-teilt, 2700 dabei auf andereBundesländer und 7000 innerhalbvon Sachsen.1Quelle: Bundesagentur für Arbeit.Viele der in Sachsen lebendenausländischen Personen sind zurAusbildung und wegen des Erwerbshier. Allein 18 491 ausländischeStudierende besuchten im Winter-semester 2022/23 Sächsische Hoch-schulen, das entspricht etwa 17,6 Pro-zent aller Studierenden. Die Mehrheitder ausländischen Studierendenkam aus Asien (9843) – die meistendabei aus China (2866). Im Bereichder Ingenieurwissenschaen studier-ten 48,1 Prozent der ausländischenStudierenden (8891); fast jeder füne(19,3 %) in der chergruppeRechts-,Wirtschas- und Sozialwissenschaften(3562).Bei der Sächsischen Landesärzte-kammer waren 3084 ausländischeÄrztinnen und Ärzte aus 102 Nationenim Jahr 2022 gemeldet. Davon sind2819 berufstätig. 2007 hatte die Zahlausländischer Ärztinnen und ÄrzteDer Anteil an ausländischen Personenliegt in Sachsen deutlich unter demBundesdurchschnitt von 14,6 Prozent.Ende 2022 lebten 297598 Personenohne deutsche Staatsangehörigkeit imFreistaat Sachsen. Bei 4,09 Mio. Ein-wohnerinnen und Einwohnernentspricht das 7,3 Prozent. In den Kreis-freien Städten Dresden, Chemnitzund Leipzig ist der Anteil an auslän-dischen Personen zwischen 10 und13 Prozent und damit deutlich höherals in den Landkreisen. Dort liegt derAnteil meist zwischen 3 und 6 Prozent.In Sachsen lag das Durchschnitts-alter der deutschen Bevölkerung imJahr 2022 bei 47,9 Jahren. Im Gegen-satz dazu war die ausländische Bevöl-kerung im Durchschnitt 32,2 Jahre alt,also rund 15,7 Jahre jünger als diedeutsche. Das Durchschnittsalter derGesamtbevölkerung Sachsens lag2022 bei 46,8 Jahren.ABC-Tische | Foto: Stefan MertenskötterAUSLÄNDISCHEPERSONENINSACHSENWas war 2022?