Härtefallkommission 2020: Trotz Corona weiter hohes Niveau

Härtefallkommission 2020: Trotz Corona weiter hohes Niveau

1/2021 Datum 13.01.2021

Der Vorsitzende der Sächsischen Härtefallkommission und Ausländerbeauftragte Geert Mackenroth MdL hat heute in Dresden die Bilanz der Härtefallkommission für das vergangene Jahr vorgestellt. Im Jahr 2020 brachten die Mitglieder 63 neue Anträge in die Sächsische Härtefallkommission (HFK) ein. Betroffen waren 120 Personen, darunter 43 Kinder. In neun Sitzungen befasste sich die Kommission mit 64 Anträgen, davon waren 17 noch aus dem Jahr 2019. Die Kommission stellte in 38 Fällen besondere Umstände im Sinne der gesetzlichen Vorgaben fest und bejahte damit das Vorliegen eines Härtefalls.

Mackenroth sagte dazu: „Die Sächsische Härtefallkommission hat sich auch im Jahr 2020 mit einer Vielzahl von Fällen beschäftigt, in denen die Betroffenen eigentlich hätten ausreisen müssen. Wenn die Mitglieder der Kommission gleichwohl für ein Bleiberecht votierten, dann sprachen dringende humanitäre oder persönliche Gründe für einen Verbleib der Betroffenen in Deutschland. Die individuelle Betrachtung jedes Einzelfalls ist ein Markenkern des Rechtsstaats und zeichnet unser System aus.“

 

Die Härtefallkommission beriet in neun Sitzungen über 42 der 63 Anträge aus dem Jahr 2020. Insgesamt befasste sie sich mit 64 Anträgen, davon 17 noch aus dem Jahr 2019.  Fünf Anträge wurden von den Einreichenden zurückgenommen. 16 Anträge aus dem Jahr 2020 waren am Jahresende noch offen und werden 2021 beraten. Im Vorjahr 2019 waren 78 Anträge an die HFK gestellt worden. Im Vergleich zum Jahr 2015 betrug die Anzahl der Anträge mehr als das Sechsfache.

 

Als Vorsitzender der Kommission richtete Geert Mackenroth im Jahr 2020 für 38 Fälle (von 42 beratenen) jeweils ein Härtefallersuchen an das Sächsische Staatsministerium des Innern. Das entspricht einer Quote von 90,5 Prozent (Vorjahr 84,6 Prozent). Bei den weiteren vier Anträgen fand sich keine Mehrheit für ein Ersuchen an das Innenministerium.

 

Der Sächsische Staatsminister des Innern entsprach in 33 Fällen (87%) den Härtefallersuchen des Jahres 2020 (Vorjahr 98%) und veranlasste die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen. Davon betroffen waren insgesamt 60 Personen (davon 22 Kinder).

 

Der Vorsitzende der Härtefallkommission, der Sächsische Ausländerbeauftragte Geert Mackenroth MdL resümiert: „Die Fallzahlen sind seit meinem Amtsantritt gestiegen. Wir betrachten jeden Fall individuell. Unser Augenmerk liegt neben der konkreten Lebenssituation der Betroffenen auch auf der bisher erreichten und weiterhin zu erwartenden Integrationsleistung. Wir berücksichtigen die Sprachentwicklung, die Lebensunterhaltssicherung, das soziale Umfeld und die bisherige Aufenthaltsdauer.“

 

Zur Arbeitsweise der Sächsischen Härtefallkommission

Voraussetzung im Härtefallverfahren ist, dass nach der Feststellung der Kommission dringende humanitäre oder persönliche Gründe die weitere Anwesenheit einer vollziehbar ausreisepflichtigen Person im Bundesgebiet rechtfertigen. Die besagten Gründe können nicht abstrakt und schon gar nicht abschließend definiert werden. Es kommt auf den jeweiligen Einzelfall, die Besonderheiten, die der Fall aufweist, an. Mögliche Gründe, die für eine Einzelfallgerechtigkeit durch eine Härtefallentscheidung sprechen, können beispielsweise sein:

 

•           langjähriger Aufenthalt in Deutschland

•           nachhaltige Integration im Bundesgebiet

•           fehlende Bindungen zum/im Heimatland

•           schwere Krankheit

 

Der Sächsische Ausländerbeauftragte ist kraft Gesetzes Mitglied der Sächsischen Härtefallkommission und damit antragsberechtigt im Härtefallverfahren. Er ist zudem der gewählte Vorsitzende der Sächsischen Härtefallkommission. Die Geschäftsstelle der Sächsischen Härtefallkommission, die für die Bearbeitung der Anträge und die organisatorischen Abläufe des Härtefallverfahrens verantwortlich ist, ist an die Geschäftsstelle des Sächsischen Ausländerbeauftragten angebunden.

 

Ein Schaubild zum Härtefallverfahren ist auf der Internetseite des Sächsischen Ausländerbeauftragten ladbar.

https://sab.landtag.sachsen.de/dokumente/sab/HFK-verfahren-Schaubild_2019_A4_print.pdf

 

Beispiele aus der Entscheidungspraxis

 

In den folgenden Fallkonstellationen wurde nach positiver Entscheidung der Kommission ein Aufenthaltstitel erteilt:

 

Eine aus dem Irak stammende Frau reiste 2016 allein in das Bundesgebiet ein. Ihr Asylantrag wurde abgelehnt. Im Irak arbeitete sie zuletzt als Assistentin der US-Behörde für Entwicklungszusammenarbeit. Seit mehreren Jahren sicherte sie ihren Lebensunterhalt als Dolmetscherin und engagierte sich ehrenamtlich für die Rechte von Frauen und bei UNICEF.

 

Eine Familie mit drei Kindern im Alter von zwei bis elf Jahren und albanischer Staatsangehörigkeit kam 2015 nach Deutschland. Die Familie hatte sich nachhaltig sozial und wirtschaftlich integriert und wurde insbesondere durch die Nachbarschaft und die örtliche Kirchgemeinde unterstützt. Die Kinder erzielen gute schulische Leistungen und die Eltern üben bereits seit mehreren Jahren Tätigkeiten aus, um ihren Lebensunterhalt möglichst eigenständig zu sichern

 

Keine Mehrheit in der Kommission fand der Antrag für einen pakistanischen Mann, der 2015 einreiste. Trotz seiner zeitweisen Beschäftigung in einer Pflegeeinrichtung überwogen bei der Mehrheit der Mitglieder der Kommission die Bedenken gegen ein Härtefallersuchen. Die Ausländerbehörde wies in ihrer Stellungnahme auf eine möglicherweise nicht korrekte Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen hin.

 

Auch bei positiven Entscheidungen der Kommission trifft die endgültige Entscheidung der Sächsische Staatsminister des Innern. So folgte der Innenminister in insgesamt fünf Fällen den Ersuchen der Kommission nicht, da er dringende humanitäre oder persönliche Gründe nicht als gegeben erachtete, beispielsweise bei einer 2018 eingereisten Venezolanerin, die zwar gut ausgebildet und mit guten Deutschkenntnissen, jedoch mit fehlender wirtschaftlicher Integration in Deutschland lebte.

 

Die Zahlen 2015 bis 2020 im Überblick

 

Jahr

Anträge

Betroffene

Rück-

nahmen

offene Anträge oder Folgejahr

Härtefall-

ersuchen

Betroffene

Anord-nungen nach §23a AufenthG

Betroffene

2015

10

25

 

 

4

9

4

9

2016

28

93

6

6

13

55

12

51

2017

53

161

6

16

32

98

32

98

2018

59

149

8

11

25

58

25

58

2019

78

186

10

17

54

118

53

116

2020

63

123

5

16

38

75

33

60

 

 

2020:

63 Anträge von 123 Personen, darunter 44 Kinder

 5 Antragsrücknahmen

16 Anträge werden in 2021 beraten

42 Anträge wurden 2020 beraten

     davon in   4 Fällen wurde die Mehrheit für ein Härtefallersuchen nicht erreicht

     davon in 38 Härtefallersuchen an SMI (75 Personen, davon 29 Kinder)

                           33 Stattgaben SMI (60 Personen, davon 22 Kinder)

                             5 Ablehnungen durch SMI (14 Personen, davon 7 Kinder)

                            

Hauptherkunftsländer waren:

 

Afghanistan (14 Anträge / 14 Personen)

Pakistan  (13 Anträge / 14 Personen)

Georgien  (6 Anträge / 29 Personen)

Indien (5 Anträge / 12 Personen)

 

Aus 2019 waren noch offen und wurden 2020 wie folgt abgeschlossen:

17 Anträge

  5 Antragsrücknahmen

10 Härtefallersuchen

   2 Anträge erreichten nicht die erforderliche Mehrheit für ein Härtefallersuchen

 

Hintergrund:

Das Bundesrecht regelt in § 23a des Aufenthaltsgesetzes die Aufenthaltsgewährung in Härtefällen. Demnach darf eine oberste Landesbehörde anordnen, dass einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von den in diesem Gesetz festgelegten Erteilungs- und Verlängerungsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel sowie von den §§ 10 und 11 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Voraussetzung ist, dass eine von der Landesregierung durch Rechtsverordnung eingerichtete Härtefallkommission darum ersucht.

https://www.gesetze-im-internet.de/aufenthg_2004/__23a.html

 

Für Sachsen gilt die Sächsische Härtefallkommissionsverordnung.

 

Nur ein Mitglied der Härtefallkommission kann diese veranlassen, sich mit dem Anliegen eines Ausländers zu beschäftigen (Selbstbefassungsantrag). Der oder die Betreffende muss also ein Mitglied der Härtefallkommission seiner Wahl dafür gewinnen, den Fall vor die Härtefallkommission zu bringen. Ein Recht auf Befassung durch die Härtefallkommission besteht nicht.

 

Mit Eingang des Selbstbefassungsantrags beim Vorsitzenden beginnt das Verfahren. Für dessen Dauer besteht ein Abschiebestopp. In der Regel wird der Antrag nach Eingang innerhalb von drei Monaten durch die Kommission beraten.

 

Stellt die Härtefallkommission mit der Mehrheit von zwei Dritteln ihrer Mitglieder fest, dass trotz vollziehbarer Ausreisepflicht des Ausländers dringende humanitäre oder persönliche Gründe seine weitere Anwesenheit im Bundesgebiet rechtfertigen, bittet der Vorsitzende der Härtefallkommission den Sächsischen Staatsminister des Innern, die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis anzuordnen.

 

Die Sitzungen der Härtefallkommission finden nichtöffentlich statt. Über das Abstimmungsverhalten der Mitglieder oder deren Stellvertreter wird nicht berichtet. Das einbringende Mitglied kann die betroffenen Personen über das Ergebnis der Beratung informieren. 

 

Die HFK besteht aus neun Mitgliedern. Vorsitzender der Sächsischen Härtefallkommission ist der Sächsische Ausländerbeauftragte Geert Mackenroth MdL.

 

Weiterführende Informationen zur Sächsischen Härtefallkommission mit Mitgliedern, Verordnung und Geschäftsordnung
https://sab.landtag.sachsen.de/de/der-saechsische-landesbeauftragte/haertefallkommission/haertefallkommission-6735.cshtml